Ferron
Durch ein Portal schritt Arminio am späten Nachmittag in das Arbeitszimmer von Erzmagier Ferron. Das Zimmer war kühl, trotz des Hitzesommers, der in Europa herrschte. Die Wände des großen Raumes waren mit weißen Marmorplatten getäfelt und er wurde von sechs Säulen getragen.
„Guten Tag, Arminio.“ Ferron stellte die Schreibfeder zurück und stand vom Stuhl auf, um den Besucher respektvoll zu begrüßen. „Bitte, setz dich.“ Er deutete auf den jahrhundertealten Besucherstuhl vor seinem Schreibtisch.
„Guten Tag, Ferron, hab Dank.“ Der Feuermagier nahm das Angebot an und legte seine Hände auf der ärmellosen roten Robe ab.
„Was kannst du mir über Frau Berger berichten?“
„Glandera Berger, 19 Jahre alt. Sie lebt mit ihrer Großmutter Gladis Forster, ihrer Mutter Hilde und ihrem Bruder Arno in der Webergasse. Unter den Bergarbeitern wird sie als Quarzsucherin bezeichnet, da sie die Quarzadern in der Mine gefunden hat.“
Ferron hob überrascht die Augenbrauen.
„Zuvor lebte sie in einer Hütte unterhalb von Chattenberg am Waldrand, an einem Zufluss der Eder. Sie hat niemals eine Schule besucht und arbeitet seit drei Jahren in der Mine, um ihre Familie zu ernähren und Arno eine Ausbildung zum Schmied zu ermöglichen.“
„Dafür musste er zur Schule gehen“, Ferron nickte anerkennend. „Das ist in der Landgrafschaft teuer.“
Arminio stimmte ihm zu: „Allerdings, doch sie arbeitet emsig, damit er seinen Traum verwirklichen kann.“
„Wo ist ihr Vater?“
„Georg Berger ist vor vier Jahren gestorben, wie ich dem Kirchenbuch entnommen habe. Ihre Mutter Hilde hat kaum Zeit, um Wolle zu spinnen, und auf dem Markt zu verkaufen, da sie sich zusätzlich um die verwirrte Großmutter kümmern muss. Das Geld ist knapp. Deshalb arbeitet Glandera in der Mine.“
„Ihre Mutter ist unverheiratet? Ist Glandera vermählt?“
Der Feuermagier schüttelte den Kopf. „Nein. Es gibt auch keinen Anwärter, der sich darum reißt, die ganze Familie ernähren zu müssen. Sie lebt zurückgezogen.“ Arminio blickte zu den Bücherregalen und zurück, bevor er anfing aufzuzählen: „Jeden Tag kämpft sie darum, die Familie sattzubekommen. Der Vorarbeiter ist ein hinterhältiger Schurke. Sie geht uns Magiern aus dem Weg, weil sie Angst hat, dann zu verschwinden. Und sie fürchtet, von dir wegen des Zusammentreffens bestraft zu werden. Ihr Leben ist von Furcht geprägt.“
Der Erzmagus hob abwehrend die Hände. „Sie ist vollkommen unabsichtlich in mich hineingerannt.“
„Und damit hat sie dich ungefragt berührt und fürchtet die Konsequenzen. Sie ist unbedarft, weder gebildet noch weiß sie mit ihren weiblichen Reizen umzugehen.“ Typisch italienisch breitete Arminio die Arme aus. „Du kennst mich, ich bin neugierig: Willst du sie, weil sie hübsch ist?“
„Nein“, der Erdmagier schüttelte den Kopf, „ich habe einen anderen Grund. Hast du bemerkt, dass sie Magie wirkt?“
Überrascht hob Arminio die Augenbrauen. „Sie hat gestern und heute harte Männerarbeit verrichtet. Niemand mit magischen Fähigkeiten würde dies freiwillig tun.“
Der Erdmagier nickte und schwieg einen Moment. „Gut. Ich bitte dich, über folgende Information vorerst Stillschweigen zu bewahren: Ich halte sie für eine Incantatrix.“ Ferrons Iriden wurden grau und er teilte seine Erinnerungen. Detailliert übermittelte er ihm den Zusammenstoß mit Glandera.
„Unglaublich!“ Arminio kombinierte in Windeseile, während seine Augen hin und her blickten. „Diese Energie der Blitze. Du meinst, sie ist eine ungelernte Erdmagierin? Was das bedeuten würde!“ Er beugte sich vor und stützte die Ellenbogen auf seinen Beinen ab. „Warum haben wir sie nicht früher bemerkt? Wurde sie mit dem falschen Ergebnis getestet?“
„Ich wäre dankbar, wenn du das für mich herausfinden könntest.“ Der Stuhl kratzte über den Boden und Ferron stand auf. „Ich muss los. Ein Staudamm droht in Ägypten zu brechen.“
Arminio erhob sich ebenfalls. Seine Hand formte eine liegende acht und ein blauviolettes Portal erschien. „Ich melde mich später.“