Kapitel 20

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Sein Gesicht brannte. Dass er es fühlen konnte, war für ihn selbst ein Wunder. Sein Atem ging langsam. Gerade eben war alles so schnell gegangen. Jemand lag auf ihm. Er nahm an, dass es sich um einen seiner Diener handelte, da er etwas Weiches wahrnahm. Eine Kutte.


Vorsichtig kämpfte er sich vorwärts, den ganzen Körper im Schnee schleifend. Als er weit genug nach vorn gekrochen war, um etwas zu sehen, stoppte er.


Von seiner Position aus, erkannte er brennende Pfeile. Der Namenlose rieb sich die Augen. Konnte das sein? Das Tor stand offen. Sich einen Arm vom Kopf zerrend, richtete sich der Priester möglichst geräuschlos auf.
Der Fluchtweg stand ihm offen und er war allein. Kein Ballast mehr, den er mit sich schleppte. So konnte es ihm gelingen, wenn der Allsehende Gnade walten ließ.


Der Namenlose nahm sich die Zeit, über Körper zu robben, um dem Ausweg stetig näher zu kommen. Nur der Überlebenswille brachte ihn vorwärts. Jetzt zählte nichts anderes mehr.


Unter sich nahm er ein Stöhnen wahr. Es war beinahe zu überhören. Der Priester überhörte es.
Ein abstoßender Gestank stieg dem Lebenden in die Nase. Er spuckte aus und traf einen der Toten. Schwächliche Soldaten, dachte er. 


„H-Hi-H“, stammelte etwas.


Es klang nicht nach einem Hemnan. Der Namenlose schob sich daran vorbei. Es widerte ihn an.
Hoch oben am Himmelszelt, leuchte ihm der Mond den Weg. Er würde in die Geschichte der Kirche eingehen, wenn es ihm gelingen sollte, als Einziger zurückzukehren. Vielleicht könnte man ihn sogar zu einem „Erhobenen“ ernennen. Es wäre ein Wunder.
Der Priester verließ sich darauf, dass der Allsehende mit ihm war. Er hatte sich behauptet und wandelte unter den Lebenden. Das konnte kein Zufall sein.


Metall, Stoff, Schnee, Haut, Haare, Ohren, Schuhe, Schwerter und vieles mehr, ertastete der Priester und zog sich daran vorwärts. Wie eine Schnecke kroch er schleimig vor Schweiß über Berge aus Leichen.
Das Tor war so nah. Es war so nah.


Im Augenwinkel nahm der Priester etwas wahr, dann fuhr ein schwarzer Dolch in sein fettes Fleisch. Er quiekte wie ein Schwein.
So konnte es nicht enden!


Etwas Dickflüssiges füllte seinen Mundraum. Es roch nach Eisen und Schwefel. Bevor er verstand, wie ihm geschah, verkrustete es. Die gehärtete Substanz fühlte sich kalt auf der Zunge an. Der Namenlose versuchte zu atmen, aber es gelang ihm nicht. Die Augen des Priesters weiteten sich, dann riss es ihm den Kiefer aus dem Gesicht.


Sein Lebenssaft sprudelte heraus. Er wollte schreien, aber seine Zunge lag vor ihm im Schnee. Blut floss dem Hilflosen die Kehle hinunter. Selbst die Augen wurden durchtränkt, bis diese nichts mehr wahrnahmen, bis auf unendlichen Tiefen der Dunkelheit.


Etwas saugte an ihm. Er fühlte mit letztem Herzschlag, wie das Blut durch seine Adern schoss. Die Nackenhaare des Halbtoten stellen sich auf, wie in einem letzten aufbäumenden Akt. Alles wurde schummrig, wie nach zu vielen Gläsern Wein, dann wurde er vom Abgrund verschlungen.

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