Myrtax - Dem Hahn war es egal

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27. Ophelion 7344 Vierte Ära NL

Tagesanbruch

Myrtax

 

 

Der Hahn schrie. Viel zu früh eigentlich, aber dem Hahn war egal, ob Myrtax aufstehen wollte oder nicht. Er schrie, weil die Sonne aufging und die Tagschicht der Menschen und niederen Vampire begann. Er schrie, weil er sagen wollte, dass das hier sein Revier und seine Hühner waren.

"Los, aufstehen.", zischte einer der bleichen Männer. Die etwas spitz zulaufenden Ohren verschwanden unter schwarzbraunen Haaren und einem Arbeitstuch, welches erstaunlich sauber ausschaute. Die rostbraunen Augen glühten vor Abscheu und er zog dem Menschensohn die Decke weg, ließ sie zu Boden fallen und verschwand, die Tür fiel knarrend ins Schloss.

Aufstehen. Seit einigen Tagen fiel es ihm immer schwerer. Warum sollte er noch aufstehen? Um seinen Herrn Jilal zu bedienen? Weil er der älteste Sohn des Clans der Lachlidan war? Was brachte es Myrtax, aufzustehen und diesem Abschaum eines adligen Vampirs, Clan hin oder her, jeden Wunsch von den Lippen zu lesen?

Eine Glocke läutete irgendwo, ein leiser Ton wie von feinstem Silber. Die Köche hatten mit der Arbeit angefangen.

Müde, erschöpft und noch etwas benebelt im Kopf stand der Junge auf, berührte die beiden kleinen Urnen, die unberührt von anderen auf seinem Nachtschrank standen, wusch sich, kleidete sich und verließ das Gesindehaus, welches an der südlichen Mauer kauerte. Seine Decke ließ er auf dem Boden liegen.

Das Gesindehaus war nicht wie alle anderen Häuser aus dem tiefbraunem Ebenholz des Ebenholzdickichts gefertigt, sondern in ihrem Fall aus Nussholz, welches vom Clan herangeschafft wurde, da nur wenige andere Bäume im Ebenholzdickicht wuchsen.

Die Luft war kühl von der Nacht, aus einigen der geduckten Häuser stieg bereits Rauch auf, das längste davon war die Küche.

"Rein, rein, rein!", schallte es donnernd von hinter mehreren Kesseln her, ein fast ebenso großer wie breiter Mann in weißer Kleidung stand an einer großen Arbeitsfläche mit einem Hackmesser. "Holt euch euren Schleim und dann Abmarsch, nicht trödeln...he, Ulbrecht, nur eine Schale!"

Es tat einen fleischigen Schlag, jemand zog die Nase hoch und Myrtax hörte Schritte davonhasten. Seitlich des Kochs lümmelte einer der niederen Vampire mit dem Zeichen des Clans auf der Schulter auf einem etwas erhöhten Sitz und überwachte die Aktivitäten in der Küche, ohne zu helfen.

"Da kommt das Mutterlose.", höhnte er, als er Myrtax erblickte. "Schwache Menschen. Los, hol deinen Schleim, damit du nicht umfällst wie deine dreckigen Eltern!"

Myrtax schaute den Vampir an, schluckte die Antwort herunter, die ihm auf der Zunge lag und holte sich seine Schale Haferschleim, dazu einen großen Krug frisches Wasser. Er verzog sich in eine Ecke außerhalb der Küche, zwang den faden Haferschleim hinunter, spülte mit Wasser nach, brachte sein Geschirr weg, ignorierte dabei den Vampir und machte sich an seine Arbeit. Heute war Unkraut jäten und Feld bestellen dran, am Abend durfte er mit einigen anderen Sklaven die Latrinen und Nasszellen saubermachen.

Myrtax wusste nicht, welche Arbeit ihm besser gefiel. Vermutlich, dass er das Feld bestellen durfte, auch, wenn seine eigentlich starken Hände mit der Hornhaut daran immer noch Blasen warfen. Wenigstens durfte er sich etwas länger waschen, genau wie seine Kleidung, damit sie nicht stank. Jeder Sklave hatte nur zwei Garnituren und die durften nicht ohne Grund kaputtgehen.

Er ging zurück in das Gesindehaus, seufzte und säuberte seine Decke, die er dann nass zum Trocknen über das Fußende legte.

Irgendwer hatte darauf gepisst.

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